Gemeinderatssitzung Donnerstag, 16. Dezember 2004.
Tagesordnungspunkt 7: Theater Heilbronn;
Externe Untersuchung: Zukünftige Zuschussgewährung. Drucksachen 248, 248a, 248 b


Bevor Stadtrat Heiner Dörner mit seinen Ausführungen zum Tagesordnungspunkt begann, antwortete er auf die Redebeiträge der bisherigen Redner.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren! Nachdem Herr Throm von der CDU heute erst als letzter Fraktionssprecher drankam fragte ich mich: Wie wird er wohl, um im Theaterjargon zu sprechen, wie wird er wohl seine Rolle „anlegen“, hintergründig oder gar bösartig? Es war etwas von Beidem. Am Rande bemerkt zur Bedeutung eines Theaters generell: Vielleicht wird man eines Tages als Sozialleistung den Theaterbesuch für Jugendliche in der Bildung vorschreiben um unsere Gesellschaft zu retten, eine Gesellschaft die immer desolater wird. Herr Throm wollte zwar angeblich keine Spardebatte führen, sein Beitrag war aber einer dazu. Er war es ja auch der einmal einfach so „long hand“ in die Runde warf, das Theater müsse mit 5 Mio € Zuschuss auskommen, ohne jeden fachlich-sachlichen Hintergrund. Der Spar-Appell in Herrn Throms Rede führte leider zu keinem eigenen Antrag der CDU. Man möchte zwar bei der CDU als Sparmeister der Stadt dastehen, hat aber nicht den Mut unter dem Antrag der Verwaltung zu bleiben, was man aber vorgibt. Man weiß, dass ein solcher Antrag beim Bürger als „Schuss nach hinten“ oder als „Schuss in den Ofen“ ankommen würde. Herr Throm benutzte Beispiele wie Schwimmbäder und Kindergärten, unser OB würde sagen, er verwechselte dabei Äpfel mit Birnen. Bösartig wurde er als er den Freien Wählern vorwarf, sie hätten schon mal 200 Stellen einsparen wollen. Absichtlich, das unterstelle ich ihm, vergaß er den zweiten Satz unseres damaligen Antrags: Die Verwaltung möge dazu aufzeigen, welche Dienstleistungen für den Bürger dann bei der Stadt wegfallen müssten. In dieser Richtung werden wir uns im Gremium ja im Januar unterhalten, wenn es um die Drucksache „Kernaufgaben der Stadt“ gehen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man eine Brücke oder ein Gebäude baut ermittelt man vorher die Massen an Beton und Stahl. Daraus ergeben sich die Roh-Baukosten. In Heilbronn gab es auf diesem Sektor schon viele unrühmlichen Beispielen mit Kostenüberschreitungen in zweistelliger Prozentsatzhöhe oder sprich in zweistelliger Millionenhöhe an DM oder €. Obwohl ich den parteiübergreifenden Antrag unterstütze, will ich vorher einige kritische Worte anmerken. Kulturdezernent und Gemeinderat gehen für mich beim Theater mit denselben Gedanken-Mechanismen an die Kostenseite wie bei einer Baumaßnahme heran. Damit wird man der kulturellen Aufgabe nicht gerecht. Unser Theater arbeitet für Menschen in Stadt und Landkreis und darüber hinaus. Unser Theater arbeitet mit Menschen im eigenen Ensemble. Der Spielort Theater ist ein wichtiger Identifikationspunkt für Stadt und Region. Theaterarbeit lässt sich in seinen gesellschaftspolitischen Auswirkungen, Stichwort „Weicher Standortfaktor“, „Oberzentrum der Region“, sehr wohl beurteilen, fiskalisch ist Theaterarbeit aber nicht im Voraus, auf die Kommastelle genau, zu erfassen. Wie viel Kultur, wie viel Theater braucht Heilbronn? Wie gehen wir mit unserem Theater um? Diesen Fragen müssen wir uns stellen.

Zu meiner persönlichen Entscheidung liegen mir heute mehrere Zahlenkolonnen vor. Die CDU die unter den Zahlen der Verwaltung bleiben will hat leider keinen eigenen Antrag gestellt. Die Zahlenreihe der Verwaltung ist nicht nur problematisch sonder damit wird grundsätzlich in die bisherige Struktur unseres Theaters eingegriffen. Alle reden stets davon unser Theater so wie es ist erhalten zu wollen. Man will zwar sparen aber ohne Veränderung. Die Zahlenreihe der Verwaltung bis 2008 entspringt wie erwähnten aus dem rein mechanisch-fiskalischen Denken. Wie sonst kann ein Zuschuss-Bedarf auf ausgerechnet 4000 € genau vorgeschlagen werden, nämlich 5,604 Mio €, und das fast hellseherisch für das Jahr 2008? Werte Frau 1. Bürgermeisterin Mergen, sie wissen selbst, dass ihre städtischen Haushalte zwar mit gleicher Präzision geplant werden, aber wie sehen die Ergebnisse später wirklich aus?

Für mich selbstverständlich ist, dass die Vorgabe des Theaters aus Eigeninteresse am anderen oberen Ende der Vorschläge rangieren muss. Das Theater argumentiert aus dem vorhandenen Sachverstand heraus, was zum Halten oder verbessern des Niveaus, zum Erhalt des Standards am Heilbronner Theaters wie wir es kennen, noch auskömmlich ist, wie viel Zuschuss notwendig ist.

Der parteiübergreifende Vorschlag der anderen Fraktionen, den ich mittrage, betrachte ich trotzdem auch als rein fiskalischer Kompromiss. Man kann ihn sogar gewissermaßen verstehen, behandelt man die kulturelle Institution Theater ebenso hart wie die anderen kulturellen Einrichtungen die man schon vor Jahresfrist stark beschnitten hat.

Ist es aber wirklich richtig heute die Entscheidung zu treffen? Unbedingt heute, wo erst in Ansätzen zu erkennen ist, dass das „Neue Heilbronner Theater“ gegenüber früher wohl auf einem anderen aber richtigen Weg ist. Für mich kommen alle Vorschläge und die heute eingeforderte Entscheidung, um mindestens eine Spielzeit zu früh und außerdem, auf allen Gebieten unserer Gesellschaft gehen wir wie selbstverständlich von steigenden Personalkosten, Gebühren und Steuern aus und haben uns, lapidar gesprochen, praktisch damit abgefunden. Für das Theater soll aber eine solche Tendenz nicht zutreffen. Bei allen Vorschlägen soll der Zuschuss bis 2008, Jahr für Jahr, weiter sinken, bei der gleichzeitig immer wieder gemachten Aussage: Natürlich ohne Qualitätsverlust! Wir fordern oder behaupten einfach, dass das Theater in 2008, mit einer 5 vor dem Komma, plus einigen Hunderttausend € an Zuschuss-Millionen, auskommen wird.

Hätten wir Dr. Roeder-Zerndt nicht beim Wort nehmen sollen. Er will mit der Theater-Forderung von 6,3 Mio € Zuschuss im Jahr auskömmlich haushalten. Die Theaterleitung hat ein Szenario erarbeitet mit diesem sich selbst einschränkenden eingefrorenen Betrag bis 2008. Bedeutete dieser planbare Theater-Zuschuss nicht bei künftigen Haushaltsplanungen eine hilfreiche und bessere Planungssicherheit für die Stadt? Für mich kommt die heutige Entscheidung wie gesagt zu früh. Ich habe noch keine komplette Jahresabrechnung des Heilbronner Theaters unter der neuen Leitung gesehen. Man berichtet zurzeit nur verbal über eine weitere Forderung von 240 000 € in diesem Jahr.

Ich hätte gerne zunächst mindestens 2 komplette Jahresabrechnungen zur Kenntnis genommen, bevor ich beurteilen kann wie sich das Heilbronner Theater wirklich entwickelt. Eingeschoben ein Wort zum Logentheater. Trotz der damaligen Mehrheitsentscheidung redet man heute davon, man habe sich das Logentheater von Wagner aufschwatzen lassen. Wahr ist aber, dass das Logentheater von einer großen Mehrheit getragen wurde und, dass es ohne Logentheater und den gewaltigen städtischen Investitionsbeitrag, das K3 heute gar nicht geben würde. Nur durch die Baubeteiligung der Stadt konnte das Projekt K3 überhaupt realisiert werden. Ich möchte vor der heutigen Abstimmung eigentlich wissen: Wie verlaufen die Abonnenten-Zahlen wirklich? Ein Einbruch war nach 25 Jahren Wagner-Theater für mich vorprogrammiert. Wie nimmt das Heilbronner Publikum die neuen Spielpläne wirklich an? Wie reagiert die Jugend auf die neuen Theatermacher? Wird es eine Einnahmensteigerung geben? Wie wirkt sich das Gegensteuern bei der Gestaltung des neuen Spielplans, nach einem zugegeben etwas unglücklichen Start, aus? Der Intendant hat für mich in der Kürze der Zeit schon Flexibilität und Lernfähigkeit bewiesen. Er hat auch bewiesen, durch einen ersten Einsparschritt von 600 000 € zu Beginn seines Intendanz-Antritts, dass er ernsthafte Einsparungen will. Gebt ihm eine Chance, lasst ihm noch etwas Zeit, ruft uns das Heilbronner Publikum nicht nur in Leserbriefen zu.

Leider hat man in der inzwischen monatelangen Diskussion faktisch nie nach Theater-Inhalten gefragt, es wurde immer nur mit Zahlen jongliert. Herr Mergel von der SPD hat mich etwas erschreckt als er in seinem Beitrag meinte über Inhalte könnte man später, nach dem heutigen Beschluss, reden. Mit unserem heutigen Beschluss werden wir aber auch in die bisherigen Inhalte des Theaters eingreifen, das sollte jedem klar sein. Kunst und Kultur sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit dem man aber gerade heute äußerst vorsichtig umgehen muss.

Das Gutachten war meiner Meinung nach, und da stehe ich in absoluter Opposition zu unserem Oberbürgermeister, nicht konkret genug, man hätte es sich grade sparen können. Ich meine auch nicht, wie Herr Throm, dass es in der Verwaltung keine Unterstützung, im Theater angeblich sogar Gegnerschaft, zur Gutachtertätigkeit gegeben hat. Für mich war die Tätigkeit des Gutachters Vermeulen eher erstaunlich, lief sie doch bei unserer Gruppe der Freien Wähler auf eine schlichte Befragung mit Laptop, „was wir den haben wollten“, hinaus. Ich hatte eigentlich eigene Vorstellungen und Hilfestellung des Gutachters erwartet. Dort wo man im Gutachten konkret wird, z.B. bei den Kosten für Gastspiele, lag man völlig daneben. Für 3 500 € kommt niemand mit einem Gastspiel nach Heilbronn. Ebenso daneben liegt man mit der Empfehlung, die Gastspielseite auszuweiten, um Kosten zu sparen. Der Gutachter kennt die Zusammenhänge der Landesbezuschussung offensichtlich überhaupt nicht und hat auf diesem Gebiet, ich muss es sagen, keine Ahnung. Herr Oberbürgermeister ich zitiere aus dem Schreiben vom 15. November von Ministerialdirigent Koch vom Stuttgarter Ministerium an Sie. Das Schreiben haben sie dem Gemeinderat offiziell leider nicht zur Verfügung gestellt. In dem Schreiben heißt es: Bei seiner Kommunaltheaterförderung ist das Land von jeher davon ausgegangen, dass die Theaterproduktionen mit eigenem Ensemble erarbeitet werden. Und weiter, Zitat: Sicher ist aber, dass das Land gezwungen ist seine diesbezügliche derzeitige Förderpraxis dann neu zu überdenken, wenn sich der Anteil des Gastspielbetriebs gegenüber dem der Eigenproduktionen des Theaters deutlich verändern würde. Zitatende. Wir sollten also jede Konzeption mit Ausweitung der Zahl an Gastspielen genauestens überlegen. Ich meine, eine Ausweitung mit Gastspielen wäre geradezu gefährlich. Wir würden das Land geradezu provozieren über eine Änderung des Landeszuschusses nachzudenken.

Eine 2 %-ige Kürzung des Landeszuschusse in 2005/2006, das steht ebenso in diesem Schreiben, wird vorab schon als wahrscheinlich mitgeteilt. Deshalb ist es auch gut in der heutigen Entscheidung diesen Problemkreis ganz auszusparen, um das Land nicht zu solchen Kürzungen geradezu aufzufordern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren. Eine Zuschuss-Zahlenreihe wird heute bis 2008 beschlossen. Mit diesem Beschluss werden wir aber dem Auftrag eines Theaters in der Region, im Oberzentrum Heilbronn, nicht gerecht. Der Sinn des Theaters als lokale Institution in Stadt und Region lässt sich an Wirtschaftsdaten allein nicht festzumachen.

Der Sinn des Theaters ist seine Entfaltung als Lebensraum, in dem Vergnügen, Auseinandersetzung, Bildung und Konflikt, aber vor allem Kommunikation gelebt wird – Theater als Einheit von Autoren, Schauspielern, Sängern, Musikern und allen übrigen Theaterschaffenden, zusammen mit dem Publikum, mit unseren Bürgern.

Am Tage darauf, Freitag, 17. Dezember 2004, berichtete die Heilbronner Stimme in einem 4-spaltigen Artikel mit Bild unter der Überschrift:
"Stadttheater kommt glimpflich davon", über die Diskussion im Gemeinderat. Die Freien Wähler-Stadträte wurde darin folgendermaßen zitiert:
Nico Weinman:
Auch Nico Weinmann (FWV) sieht den Alternativantrag als deutliches Zeichen, "dass wir hinter unserem Theater stehen".
Heiner Dörner:
Für Stadtrat Heiner Dörner (FWV) kommt die Diskussion eine Spielzeit zu früh: "Gebt dem Theater eine Chance".



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Seit 1. Januar 2005